Corona stoppt Südamerika oder Biking in good old Germany
- Holger Schweitzberger
- 30. Juli 2020
- 6 Min. Lesezeit
Der September 2019 kündigt sich langsam auf meinem Kalender an, Grund genug mit der Reiseplanung zu beginnen. Wie immer die spannende Frage: Wo wollen wir denn hin? Was haben wir noch nicht gesehen? Wir wollen im nächsten Jahr nicht so früh wie in diesem fahren und wir müssen den Ferienbeginn im Auge behalten.
Grönland steht immer noch ganz oben auf meiner Bucketlist, aber auch Namibia und Botswana kommen in den engeren Kreis.
Doch dann macht uns Air France einen Strich durch die Rechnung in Form eines Angebots für einen Flug nach Chile. Nachdem alle Formalitäten mit Heidis Arbeitgeber geklärt sind, kann ich am 11.11.19 endlich buchen.
Wir fliegen also vom 30.4. - 23.5. nach Santiago de Chile, in die Hauptstadt des 4.300 km langen Landes. Durch die frühe Buchung kann ich noch einen Zweisitzer für den Hin- und Rückflug ergattern, das ist für einen so langen Flug schon etwas komfortabler.
Der Start so einer Buchung kostet mich immer Überwindung, da ich nie sicher bin, ob nicht noch etwas besseres zu finden ist, ist dieser Schritt aber getan, kann der weiter Elan der Reiseplanung gelten.
So auch dieses Mal. Ein Blick auf Google Maps verrät nichts Gutes. Die beiden spannenden Teile des Landes - Nord und Süd - in eine 3-wöchige Reise zu packen ist schier unmöglich.
Wir entscheiden uns für den Norden. Von Santiago mit dem Mietwagen diese Tour durchzuführen ist inakzeptabel - da wären wir die meiste Zeit nur im Auto. Also sieht der Plan vor, bis Calama zu fliegen und von dort zu starten. Wir planen die Strecke Calama - Iquique - Arica - Putre - San Pedro de Atacama - Calama, mit eventuellen Abstecher nach Peru oder Bolivien.
Als alle Hotels gebucht sind und die Reiseroute endgültig fest steht, plagen mich allerdings erste Zweifel ob der Höhe der Orte die wir besuchen. So lese ich viel von der Höhenkrankheit und damit will ich uns nun nicht den Urlaub vermiesen.
Nach langen Überlegungen muss eine Alternative her.
Mit etwas logistischem Geschick kann man in drei Wochen ganz gut die wichtigsten südamerikanischen Hauptstädte erkunden. Dabei hätten wir bei folgender Route für jede Stadt drei Tage zur Verfügung:
Santiago - Buenos Aires - Montevideo - Rio de Janeiro (ok, keine Hauptstadt) - Asuncion - La Paz - Lima und zurück nach Santiago. Dieser Vorschlag wird allerdings von 50% der Stimmberechtigten für diese Reise abgelehnt. Zu viele Flüge, zu viel Stress.
Auch ein Besuch der Osterinseln wird auf Grund des langen Fluges abgelehnt.
Bleibt nur der noch der Süden. Er war sowieso mein Favorit, ich war mir allerdings noch unschlüssig, ob man im Mai diese Gegend noch bereisen kann. Man kann, allerdings ist dann keine Saison mehr, diese endet am 30. April.
Also alles wieder von vorn. Hotels stornieren, neue Route erstellen, Auto reservieren. Start und Ziel ist Punta Arenas, ca. drei Flugstunden von Santiago entfernt. Bei JetSmart buche ich die Flüge und schon kann die Feinplanung beginnen.
Patagonien und Feuerland - wir kommen.
Die Fahrt führt uns nun von Punta Arenas zu folgenden Zielen: Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate - El Chalten - Rio Gallegos - Rio Grande - Ushuaia zurück nach Punta Arenas. 2.800 km Fahrstrecke. Dabei pendeln wir immer wieder zwischen Chile und Argentinien. Damit ist der Süden von Südamerika schon mal aufgerubbelt :-)
Nach einer Zeit des Müßiggangs schleppe ich mich Ende Januar wieder an den Rechner um noch eventuelle Optimierungen an unserer Route vorzunehmen. Wertvolle Millisekunden und so.
Und wie es so ist, finde ich auch Möglichkeiten die ganze Strecke mit einem Wohnmobil zu bestreiten. Das lässt sofort mein Herz höher schlagen und eine Anfrage bei verschieden Anbietern zu starten. Eigentlich ist es immer der gleiche Anbieter, nur unterschiedliche Agenturen offerieren ihre Dienste. Den Zuschlag erhält schließlich TUI Camper, auf Grund des besten Gesamtpakets. Wir mieten einen Patagonia 4x4 SC Pick-up-Camper, Anbieter ist Holidayrent in Chile.
Wir buchen den Camper für 18 Tage und stornieren wieder alle Hotels und das Mietauto. Da wir uns entschließen einen Tag länger in Patagonien zu verweilen um in Ruhe auch die südlichste Stadt der Welt zu erkunden, müssen wir auch unseren Rückflug nach Santiago um einen Tag verschieben.
Unsere nun (hoffentlich letztmalig) geänderte Strecke ist quasi in zwei Teile geteilt und sieht wie folgt aus:
Route 1: Patagonien: Punta Arenas - Puerto Natales - El Calafate - El Chalten - dann den gleichen Weg wieder zurück nach Punta Arenas
Route 2: Feuerland: Punta Arenas - Punta Delgada - Rio Grande - Ushuaia und zurück nach Punta Arenas.
Insgesamt ca. 2.650 Fahrkilometer - 3.600 Kilometer sind in unserem Vertrag inklusive. Also haben wir noch ca. 1.000 km um herumzufahren.
Leider können in Argentinien nicht die chilenischen Gasflaschen aufgefüllt werden, uns fehlt auch die Einschätzung, wie lange wir mit 10 kg reichen. An Bord des Campers sind zwei 5kg Flaschen verbaut.
Für den Grenzwechsel nach Argentinien benötigt man eine Versicherung, die aber gleich bei der Anmietung des Wohnmobils mit beantragt werden kann. Es sollen strenge Bestimmungen für die Ein- und Ausfuhr für Lebensmitteln gelten - auch da lassen wir uns überraschen.
Vom Wohnmobilvertreter bekommen wir die Nachricht, dass uns auch eine dritte Gasflasche zur Verfügung gestellt werden kann, das beruhigt mich schon ein bisschen.
Die Vorfreude wächst nun von Tag zu Tag, wir sind gespannt auf die vielen Gletscher, Nationalparks und die grandiose Landschaft die uns erwartet und auch auf die vielen Dinge, die wir jetzt noch gar nicht auf dem Schirm haben.
Im Februar wir die Welt vom Corona-Virus befallen. Er beginnt seinen Feldzug in China und hat ab 13.März auch Deutschland fest im Griff. Ab 17. März schließen alle Kitas und Schulen erst einmal bis nach Ostern. Bars, Clubs, Theater bleiben geschlossen. Die DEL beendet ihre Eishockey Saison, die Fußball-Bundesliga setzt nach einem Geisterspiel (M'gladbach-Köln) seinen Spielbetrieb aus. Niemand weiß wie es weiter geht, auch Südamerika (bis auf Chile) schließt ab 16.3. seine Pforten für ausländische Gäste bis auf Weiteres.
Ab 18. März wird Heidi in einen fünfwöchigen Zwangsurlaub geschickt, die Regale in den Supermärkten erinnern indes an längst vergangene DDR-Zeiten. Auch Chile schließt seine Grenzen.
Toilettenpapier ist permanent ausverkauft, selbst amazon hat keine Bestände mehr. Ich frage mich wer solche Mengen hortet um so eine Situation herauf zu beschwören.
In den Nachrichten und Zeitungen gibt es nur noch ein Thema: das Corona-Virus.
Wir hoffen indes, das sich alles bis Ende April beruhigt hat, und wir unsere Reise antreten können.
Am 22. März beschließt die Bundesregierung eine Ausgangsbeschränkung. Dazu gehören u.a.:
SOZIALKONTAKTE
Treffen von mehr als zwei Menschen sind nicht mehr erlaubt. Ausgenommen sind Familien und Menschen, die ohnehin in einem Haushalt zusammenleben. Treffen von bis zu zehn Personen sind nur noch in Ausnahmefällen gestattet, zum Beispiel für Trauerfeiern. Ausgenommen vom strengen Versammlungsverbot sind aber zum Beispiel Zusammenkünfte von Politikern auf Bundes- und Landesebene, der Justiz und Treffen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Versorgung und Gesundheit.
ABSTANDSGEBOT
Bei jedem Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung ist – soweit möglich – ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Menschen einzuhalten. Öffentliche Verkehrsmittel sind davon ausgenommen, wenn engere Kontakte unvermeidlich sind.
VERKEHR
Der Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs und des Fernverkehrs läuft weiter. Zum Teil sind die Takte im Stadtverkehr eingeschränkt oder Linien entfallen, weil es weniger Fahrgäste gibt. Auch Taxis und Mietwagen stehen zur Verfügung.
EINKAUFEN
Der Einzelhandel für Lebensmittel und Getränke einschließlich Spätverkäufen und Wochenmärkten läuft weiter wie gewohnt. Auch Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsgeschäfte dürfen öffnen. Dazu kommen noch unter anderem Tankstellen, Waschsalons, Zeitungsverkauf und Buchhandel.
FRISEUR
Für Berlin werden nun auch Friseursalons geschlossen. Dazu kommen andere Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetik- und Tattoo-Studios sowie Massagesalons.
RESTAURANTS
Sie sind geschlossen. Das gilt auch für Shisha-Bars. Ein Liefer- und Abhol-Service ist aber weiter erlaubt.

Wir glauben mittlerweile nicht mehr daran, unsere diesjährige Reise im geplanten Zeitraum durchführen zu können. Air France bietet einen Voucher mit einjähriger Gültigkeit an, so dass man den Flug verschieben kann.
Bei der Camperanmietung sieht es bisher so auch, dass wir bis 31 Tage vor Abreise mit einer 25% Stornogebühr vom Vertrag zurück treten können.
Am 25. März ist es leider soweit. Wir müssen unseren Flug stornieren und beantragen bei Air France den ein Jahr gültigen Voucher. Telefonisch ist dorthin kein Durchkommen, auch die Stornierung wird nicht mit einer automatischen Mail bestätigt. Ich schicke also noch zwei Mails an den Air France Service und Flying Blu und glaube, so wenigstens eine Bestätigung der Stornierung zu erhalten.
Jetzt hoffe ich, auch von der TUI die kostenlose Stornierung des Campers zu erhalten.
Dienstag, 31. März - die TUI storniert kostenlos unseren Camper. Damit sind wir finanziell noch einmal mit einem blauen Auge aus der Coronakrise gekommen.
Corona bestimmt aber weiterhin unseren Alltag. Uns bleiben tägliche Spaziergänge, aber der physische Kontakt zu den anderen Familienmitgliedern fällt doch sehr schwer.
Im Mai kommt es zu den ersten Lockerungen, Maskenpflicht besteht allerdings weiterhin in Bussen und Bahnen sowie beim Einkaufen. Wir nehmen wieder erste Kontakte zur Familie auf und sind froh wieder einigermaßen normal miteinander umgehen zu können.
Am 02. bzw. 06. Juni kaufen sich Heidi und ich vom eigentlichen Urlaubsgeld zwei E-Bikes und einen Fahrradträger.
Wir beschließen, im Urlaub - den wir dieses Jahr auf den Juli/August verschoben haben - mit unseren Rädern Brandenburg und Mecklenburg Vorpommern unsicher zu machen.
Die Generalprobe mit einer Tour um den Templiner- und Schwielowsee ist erfolgreich und so starten wir am 19. Juli mit der ersten Route: Schlepzig- Lübben - Schlepzig.
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