Go to Tehran - Tajrish Bazaar - Darband
- Holger Schweitzberger
- 29. Apr. 2019
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Juli 2023
22.- 23. März Freitag, der 22. März, der Frühling ist vorgestern offiziell in Deutschland eingezogen, endlich möchte man meinen, obwohl Berlin eigentlich von Schnee und langen Frostperioden verschont blieb. Trotzdem macht es mich fröhlicher wenn ich am Morgen die Vögel wieder zwitschern höre und beobachten kann, wie die Pflanzen sich jeden Tag ein bisschen mehr vom Winterschlaf verabschieden.
Vom Schlaf verabschieden wir uns auch, so gegen 8:00 Uhr stehen wir gemütlich auf und frühstücken. Da wir erst gegen 15:30 Uhr Richtung Airport aufbrechen müssen, haben wir noch genügend Zeit unsere restlichen Sachen zu packen und noch einige Male zu kontrollieren, ob unsere Pässe und Visa auch vollständig sind. Wir teilen unser Bargeld auf, schon komisch mit so einer Menge Geld herum zu laufen, aber es ist ja nicht zu ändern.
Das Gepäck bringen wir schon gestern zu Oma, so müssen wir es heute nicht zu lange schleppen ehe wir an der U-Bahn sind. Allerdings fallen Heidi noch spontan Sachen ein, die nachher noch in ihren Koffer eingepackt werden müssen. Sicher räumt sie auch noch einige Utensilien beiseite, die dann im Iran zufälligerweise als "vergessen" deklariert werden. Lassen wir uns überraschen.
Das Auto geben wir schon gestern bei Annett und Carsten ab, da kann es in aller Ruhe vor sich hindösen und wird auch von niemanden belästigt.
15:10 Uhr machen wir uns auf den Weg, bewaffnet mit unseren Campingbeuteln geht’s erst zur Oma die Koffer holen. Heidi packt noch weitere Sachen in ihren Koffer und sondert andere Dinge aus. Wertvolle Millisekunden gehen verloren.
Die U-Bahn steht bereit und 12 Minuten später sind wir in Wuhletal und bereit zum Wechsel in die S-Bahn. Die fährt allerdings gerade weg als wir eintrudeln. Unsere Nahverkehrsexperten. Fällt die Bahn nicht durch einen Notarzteinsatz oder fehlender Fahrer bzw. Waggons aus, da schafft man es so die Kundenzufriedenheit zu zerstören. Hauptsache Millionenschwere Werbekampagnen a'la "Weil wir Euch lieben". Also wenn das Liebe ist, dann möchte ich von denen nicht gehasst werden.
Unser S-Bahn-Fahrer liefert übrigens das gleiche Meisterstück ab. Als die U-Bahn einfährt, schließt er die Türen und rauscht los.
Dafür dass der Hauptbahnhof relativ neu ist, sind die Wege zum und vom Bus katastrophal. Kein abgesenkter Bordstein oder ausreichend Platz machen den Weg zum Bus zum mörderischen Parcours. Dann noch die ewig lange Schlange der Flugwilligen vor der Haltestelle des TXL-Busses.
Wir schnappen uns lieber ein Taxi und sind 20 € später am Gate A14.
Der Check-In geht schnell und die Dame hinterm Tresen antwortet auf unsere Frage, ob wir in Teheran noch einmal durch den Sicherheitscheck müssen: "Natürlich, dass müssen Sie auf jeden Fall". Jetzt haben wir aber noch etwas Zeit für unser Urlaubsbier. Danach geht es zum Berliner Sicherheitscheck. Wie immer in Tegel sind die Beamten entspannt und wir sind zügig abgefertigt. Es wartet der Bus und schon sitzen wir im Flieger. Wir sitzen in der Reihe 15, die zweite Reihe nach der Business-Class. Hinter uns sitzt ein Mann der so sehr stinkt, dass ich überlege umzuziehen. Aber dann kommt Familie Öztürk - 8 Personen - sie haben die gesamte Reihe 14 gebucht. Und nun stehen sie genau an beiden Eingängen und diskutieren ausgiebig wer auf welchem Platz sitzen soll. Allerdings sind sie sich doch sehr uneinig. Die Passagiere hinter ihnen protestieren schon lautstark. Das ist ihnen aber egal. Irgendwann haben sie es aber doch geschafft und wir können starten.
Wir fliegen südöstlicher Richtung gen Polen. Über Krakow gibt es heftige Turbulenzen, die aber nach 10 Minuten wieder abklingen. Es geht weiter über Cluj, Bukarest und Varna.
Zum Essen bestelle ich Poulet auf Kartoffelstampf an mediterranen Gemüse und Heidi Penne und Tomatenjus ohne Parmesan und Geschmack. Als Nachtisch wird Mangomousse gereicht mit einem 1928er Cabernet Sauvignon. Von der Südseite. Also eigentlich wie immer: Chicken und Pasta mit Wein aus Plastikflaschen. Meins hat geschmeckt und Heidis war gar nicht mal so gut. Nach dem Essen muss es aber einem Passagier so gut gegangen sein bzw. er hat sich so wohl gefühlt, dass er meint allen Passagieren seine Freude mit einem anständigen Furz mitteilen zu müssen. Immerhin hat er das großartig gemeistert. Respekt!
Der Landeanflug geht über das Schwarze Meer. Wir können es ganz genau in der Dunkelheit erkennen. Schön schwarz.
Wir landen überpünktlich 20 Minuten zu früh in Istanbul. Der erste Blick auf die Abflugtafel ergibt nichts Gutes. Unser Flug hat 40 Minuten Verspätung. Jetzt haben wir also über 3 Stunden Zeit. Zum Glück ist Atatürk ziemlich groß, so dass wir die Zeit schon totschlagen werden. Wir suchen uns ein Platz im Nero Caffé und trinken zwei Latte Macchiato. Der Lirakurs ist unterirdisch, wir bezahlen 5 € für die beiden riesigen Kaffees.
Just in diesem Augenblick geht der 22. März zur Neige und wir begrüßen den neuen Tag mit einem kühlen Wasser, das wir für 50 Cent aus einem Automaten ziehen.
23. März 2:50 Uhr startet unser Flieger mit der versprochenen Verspätung. Wir mussten natürlich durch keine Sicherheitsschleuse mehr. Leider sind wir am Ende der Nahrungskette, sprich am Ende der Reihe der startenden Maschinen. Dann endlich, mit einer Stunde Verspätung heben wir in den Istanbuler Nachthimmel ab. Der Flieger ist fast ausgebucht, meist Iraner die von einem Kurzbesuch aus der Türkei zurück reisen. Mein linker Nachbar kommt auf die glorreiche Idee, seine Schuhe auszuziehen und versprüht damit einen Geruch der, na ja, nicht nach Rosen duftet. Das merkt er wohl nach einer Weile auch und zieht sie wieder an. Gott sei es gedankt.
Unsere Route geht über Ankara, Diyarbakir, Mosul und Tabriz nach Teheran. Der Flug ist auf 2 Stunden und 40 Minuten angesetzt.
Der Landeanflug auf Teheran ist sensationell. Auf der einen Seite scheint der helle Vollmond und auf der anderen Seite ist ein herrlicher Sonnenaufgang zu sehen. Alles bei klarem Himmel.
ch glaube ich war noch nie auf ein Land so aufgeregt und gespannt, wie auf den Iran. Wie lange wird sich die Immigration hinziehen, sind unsere Visa ordnungsgemäß, wie klappt es mit der Verschleierung, werden wir vom Hotel - wie verabredet - abgeholt usw.
Um es kurz zu machen - nach 5 Minuten sind wir mit der Visa- und Einreiseprozedur fertig und begeben uns zur Gepäckausgabe. Hier warten wir noch einmal 10 Minuten auf unsere Koffer und können ungehindert in das Reich des Bösen einwandern.

Von Weitem erkenne ich schon meinen Namen, den unser Fahrer in die Luft hält. Das hat also auch geklappt - Perfekt.
Er holt schnell sein Auto und schon machen wir uns auf die 40-minütige Reise nach Teheran City. Wir kommen sofort ins Gespräch. Er erzählt ganz offen, dass die Iranis mit den Mullahs nichts am Hut haben, das sie Amerika, Israel und die Europäer lieben, aber es schwer ist, Veränderungen in dem Land durchzusetzen. Er gibt noch Tipps für die weitere Reise und ehe wir uns versehen, sind wir auch schon im Hotel Ich habe Early Bird gebucht, d.h. wir können unser Zimmer jetzt schon beziehen. Wunderbar, wir sind todmüde und ich brauche eine Dusche.
Um 11:00 Uhr treffen wir uns mit den Kollegen, die die Debítkarten bringen. Bis dahin ist Siesta angesagt. Pünktlich 11:15 kommt Ali an. Er erklärt die Funktionsweise der Debitcard und weist mich in die Handhabung unserer mobilen Internetstation MahCell ein. Alles ist ziemlich selbsterklärend und nachdem meine Euro auf die Karte transferiert sind entlässt er umich in den Teheraner Samstagmorgen.
Heidi und mich zieht es nun zum ersten ATM, an dem wir erfolgreich Geld abheben und sogleich glückliche Millionäre werden. 2 Millionen sind die Abgabegrenze, ca. 15 Euro.
Als erster Programmpunkt steht heute der Tajrish Bazaar im Norden der Stadt an. Dazu fahren wir mit der U-Bahn - die ca. 300 Meter vom Hotel entfernt ist, erst mit der Linie 3 und dann mit der 1 bis zur Endstation. Die Einzelfahrt kostet unglaubliche 7 Cent.
Die Bahn ist gut gefüllt, es existieren auch zwei Waggons nur für Frauen, In den anderen Waggons dürfen alle Platz nehmen.
Die Fahrt dauert ungefähr 30 Minuten und gibt schon einmal einen Einblick auf die Größe der Stadt. Zwischendurch kommen unzählige Händler durch die Wagen und verkaufen alles was nicht niet- und nagelfest ist. Von der Anstecknadel bis zur Zahnbürste. Jüngere Verkäufer legen dabei oft ihren Kopf an eine Brusthälfte des Gegenüber oder küssen diese. Da das niemandem unangenehm ist, scheint das hier gängige Methode zu sein. Wir werden uns weiter erkundigen.
Auf dem Tajrish Platz herrscht emsiges Treiben, wir kämpfen uns durch die Volksmassen und erreichen schließlich den Bazaar.

Der ist nicht minder voll und im Schritttempo rollen wir mit der Masse von einem Stand zum anderen. Der Bazaar residiert noch in einem alten Gebäude mit vielen islamischen Verzierungen und schönen architektonischen Feinheiten, Überall werden uns kleine Testhappen angeboten, so ist es nicht verwunderlich, das wir uns bald gesättigt nach einem Teehaus umschauen.
Auf dem Weg dahin kommen wir zur Imamzadeh Saleh Moschee, einem Prachtbau, in dem im Moment wohl Gebetsstunde ist. Alle Frauen müssen mit einem weißen Tschador herum laufen. Also, natürlich nur die, die keinen eigenen anhaben. Und Heidi. Sie wurde sicher übersehen und wird nun von allen erstaunt angeblickt. Wir bewundern noch die Schönheit des Bauwerkes und setzen danach unsere Teehaussuche fort.
Wir sind erst ein paar Stunden Im Iran, aber wie oft wir heute schon von wildfremden Menschen angesprochen werden ist sensationell. Alle freuen sich dass wir den Iran besuchen, frischen ihre Englisch- oder Deutschkenntnisse auf, fragen nach unserer Route oder ob es uns hier gefällt. Und immer wieder hören wir: "Welcome to Iran!"
Mit Tee wird es erst einmal nichts, aber mit dem Besuch eines kleinen Restaurants. Ein lange Schlange weist auf gute Qualität des Essens hin, also marschieren wir hinein. Uns wird gleich ein freier Tisch angeboten - von Gästen die am Nebentisch sitzen, mit dem Ziel mit uns zu reden. Das ist sehr praktisch, den so erfahren wir, wie die drei Gerichte heißen, die hier zur Auswahl stehen, Allesamt Suppen. Halleem und Hallashi sind die Namen, die ich nicht vergessen habe. Ich kämpfe mich also zur Kasse, an der man zuerst die gewünschten Speisen bestellt, ich erhalte zwei Jetons und begebe mich an die Ausgabestelle.
Als glücklicher Besitzer einer Weizengrütze mit Salz, Zucker und Zimt bestreut und einer Art grüner Kräutersuppe kehre ich zurück. Vor allen Dingen die Kräutersuppe schmeckt hervorragend. Kosten: ca. 80 Cent pro Gericht. Wir reden mit unseren Tischnachbarn über die altbekannten Themen, sie kommen aus Tabriz und fragen, ob sie zum Abschluss noch ein Foto mit uns machen dürfen. Danach entschuldigen sie sich noch einmal für ihr Verhalten und winken uns beim Abschied zu.
Wir indes beschließen nach Darband zu fahren, gerade im Sommer ein beliebter Ausflugsort der Teheranis, da es dort etwas kühler ist, als in der Stadt. Dazu schnappen wir uns ein Taxi, handeln den Fahrpreis auf 1,50 Euro und fahren los. Na ja, fahren ist nicht das richtige Wort, wir stauen uns langsam vorwärts. Nach 40 Minuten haben wir die vier Kilometer lange Strecke bewältigt, auf der der Taxifahrer uns mehrfach anfleht wieder umzukehren, da es heute so voll ist. Aber wir verstehen leider nicht was er will, was ihn sichtlich nicht erfreut.

Aber nun sind wir angekommen und müssen nun noch einen kleinen Berg erklimmen um am Ziel zu anzukommen. Hier oben fließt der Tajrish River und es reiht sich ein Restaurant, Teehaus oder Verkaufstand an das andere. Wir kosten überall das wunderbare sauer eingelegte Obst und kehren schließlich in einem Teehaus ein. Wir sitzen auf dem Boden, der mit Teppichen ausgelegt ist und schlürfen unseren Tee und essen die dargebotenen Kekse. Der Tee schmeckt wunderbar, ganz anders als bei uns zu Hause. Hier brauche selbst ich keine Zitrone.
Bei Bezahlen dann der erste Schock - 1 Million Rial = 100 000 Toman, die Ersatzwährung an der nur eine Null fehlt. Nach einer Weile schnalle ich, dass es ja umgerechnet nur 7 Euro sind, also solche astronomischen Summen machen mich schon wahnsinnig. Ich bin das Millionärsleben halt noch nicht gewöhnt.
Wir beginnen wieder mit dem Abstieg zu den Taxis. Zwischendurch kaufen wir noch das saure, eingelegt Obst.
Wir finden schnell einen Taxifahrer, Die Summe nach unten ist wohlweislich etwas höher, ist es ja die einzige Möglichkeit, motorisiert wieder zurück kommen. 300.000 Rial, etwa 3 Euro kostet der Spaß.
Es ist wieder Stau, aber unser Cabdriver ist ein Vollprofi. Er kennt alle Abkürzungen und schert sich einen Dreck um solche Kleinigkeiten wie etwa Verkehrsregeln oder gar -zeichen. Apropos Verkehr. Ihr fandet ihn in Italien, Griechenland oder gar Istanbul chaotisch? Kindergeburtstag. Was wir hier erleben verschlägt uns die Sprache.
Es wird in so vielen Spuren gefahren wie Platz ist. Auch auf der Gegenfahrbahn. Entgegenkommende Autos? Pech gehabt. Also der andere. Jedes Manöver wird mit Hupen signalisiert. Ampeln? What's that?
Wir fahren wieder zum Hotel und merken, dass unser Heizung im Zimmer nicht abgedreht werden kann. Nach langem Hin und Her verspricht der Hotelmanager, dass nach unserem Abendessen, die Heizung aus ist.
Da noch das Neujahrsfest andauert, sind auch viele Restaurants geschlossen. Uns bleibt der Ausweg zu Tehran Fried Chicken. Einem Klon von Kentucky schreit, äh, Kentucky Fried Chicken. Für 5 Euro essen wir eine Riesenportion Chicken Wings mit Pommes und trinken Cola und Wasser.
Auf dem Rückweg kaufen wir noch zwei Büchsen alkoholfreies Bier und lassen es auf unserem, nun kühlen Zimmer so richtig krachen. Der Safe wird morgen entsperrt, Heidi ermuntert mich allerdings, es noch einmal mit der Entriegelung zu versuchen. Gesagt, getan und siehe da: das Scheißding fängt an zu hupen. Na toll.
Einen Stecker kann man auch nicht heraus ziehen, er funktioniert mit Batterien. Gerade als ich noch einmal zur Rezeption will hört der Lärm auf. Ein Glück.
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