Vank Cathedral - Armenisches Viertel - Ali Quapu Palace - Azadegan Teahouse
- Holger Schweitzberger
- 20. Apr. 2019
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Juli 2023
01. April Dem heutigen Tag wird laut Wetterbericht nichts Gutes prophezeit, soll heißen, dass es bis 18:30 Uhr regnen soll. Ich hoffe zwar, dass es sich hierbei um einen Aprilscherz handelt, bin aber eher pessimistisch.
Heute ist übrigens der 3. Oktober des Iran. Es wird der 40. Jahrestag der Gründung der Islamischen Republik Iran begangen. Ich bin gespannt, ob wir davon etwas mit bekommen. Die DDR hat übrigens nach 40 Jahren ihren Geist aufgegeben. Nur so nebenbei.
Auf dem Programm steht heute der Besuch der Vank Kathedrale. Diese Kirche befindet sich im armenischen Viertels im südwestlichen Teil Isfahans. Ist der Regen nicht zu stark, wollen wir danach den armenischen Teil der Stadt per Pedes erkunden. Alternativen klären wir operativ.
Nach dem wieder wunderbaren Frühstück, haben wir noch ein Gespräch mit einem Mitarbeiter des Hotels. Da unmittelbar neben dem Frühstücksraum eine Frau einen Teppich knüpft, erkundigen wir uns nach der Ausbildung der Frau, nach der Dauer der Fertigstellung des Teppichs und dem Preis.
Der Mitarbeiter dient dabei als Dolmetscher. Die Frau sagt, dass sie mit 7 Jahren angefangen hat Teppiche zu knüpfen und nach einem Tag bereits wusste, wie sie zu knüpfen hat. Im Laufe der Jahre hat sie ihre Kenntnisse immer mehr erweitert. Für ihren Teppich, an dem sie gerade arbeitet, benötigt sie ungefähr 9 Monate, der Preis für ihn ist anschließend 650 €. Eigentlich lächerlich gering, wie wir meinen.
Wir machen danach mit dem Hotelmitarbeiter noch etwas Smalltalk und er fragt uns doch, wie lange es mit dem Berliner Flughafen noch dauere. Also bis in den Iran hat sich dieses Desaster nun schon herum gesprochen. Ich meine zu ihm, dass wir beide die Eröffnung sicher nicht mehr erleben werden, mit etwas Optimismus aber unsere Enkel.
Gestern Abend frage ich bei der Rezeption, ob es möglich ist, dass sie uns Busfahrkarten für die Fahrt am Mittwoch nach Yazd besorgen können. Heute morgen erhalten wir die Mitteilung, dass mit der Weiterfahrt alles geregelt ist.
Mit diesem Wissen starten wir mit dem Taxi ins armenische Viertel von Esfahan. Nach 15 Minuten kommen wir an. Wie immer werden wir nicht direkt an unserem Ziel abgesetzt, meinst 100 Meter davor, mit dem Hinweis, in welche Richtung wir zu laufen haben. So auch heute.
Alle Taxifahrten in Kashan oder Esfahan kosten bisher nie mehr als 200.000 Rial, also ca. 1,50 €. Meisten zwischen 80.000 und 100.000 Rial. Zur Vank Kathedrale sind es wie gesagt nur wenige Meter. Ein ziemlich unscheinbares Gebäude mit einem Hof und zwei Museen. Der Eintritt kostet 500.000 Rial, für iranische Verhältnisse ein sehr hoher Eintrittspreis.
Auch an der Kasse versuchen die Iraner hemmungslos vorzudrängeln. Obwohl es leer ist, versucht mein Hintermann mich abzudrängeln um vor mir zu bezahlen. Aber ich habe in den letzten Tagen dazu gelernt und schubse ihn sanft zur Seite. Das wird auch ohne Murren hingenommen und er reiht sich wieder ein. Ich glaube, dass liegt in ihren Genen.
Die Kathedrale ist nicht übermäßig interessant. Wir erfahren viel über den Völkermord an den Armeniern von 1915 durch die Türkei. Der Safawiden-Schah Abbas I. siedelt während der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen zwischen den Jahren 1603 und 1605 die armenische Bevölkerung der Stadt Julfa in seine Hauptstadt Isfahan um. Diese wird von den Armeniern auch Neu-Julfa genannt.
Die Vank-Kathedrale ist eine der ersten Kirchen, die die Armenier in ihrer neuen Siedlung bauen. Das Innere der Kuppel ist mit feinen Malereien und vergoldeten Schnitzereien ausgestattet und besitzt eine Täfelung aus prachtvollen Fliesen. Die zentral platzierte, feine Wandmalerei zeigt die biblische Schöpfungsgeschichte und die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies.
Die Decke über dem Eingang ist mit Pflanzenmotiven im Stile der persischen Miniatur bemalt. Die Fresken im Inneren sind in zwei Gruppen unterteilt: eine zeigt Szenen aus dem Leben Jesu, während die andere armenische Märtyrer darstellt.
Es hat Ähnlichkeit mit dem Raum in dem die Sixtinische Madonna zu sehen ist, nur können wir auch fotografieren. Es sind viele iranische Touristen hier, eine Guide erklärt alle 30 Minuten die Deckenmalereien. Dabei zeigt er mit einem Laserpointer auf die einzelnen Motive und alle Zuhörer schwenken ihre Köpfe dorthin. Für uns als Außenstehende sieht das sehr lustig aus, wenn auf Kommando alle Lemminge in die gleiche Richtung schauen.
Wir schlendern anschließend durch das armenische Viertel und trinken in einem wunderschönen armenischen Café armenischen Kaffee. Dazu gibt es ein Glas Rosenwasser und bittere Schokolade. Leider sind heut die meisten Geschäfte geschlossen, allerdings haben die Eisläden geöffnet. Und das iranische Eis ist sensationell.
Die Phasen zwischen Regen und Trockenheit wechseln alternierend. Obwohl die trockenen Perioden länger sind. Wir fahren wieder zum Emam Square, um noch ein bisschen die Atmosphäre aufzusaugen, die dieser Platz ausstrahlt. Und eins muss man sagen, die Äußerung der iranischen Tourismusbehörde, dass dies der schönste Platz der Welt sei, ist nicht übertrieben. Wir jedenfalls haben noch keinen Schöneren gesehen.
Der Platz bildet ein längliches Rechteck von 560 Metern Länge und 160 Metern Breite und ist nahezu exakt in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet. Er wurde damals gleichermaßen als Marktplatz, Gerichtsort, Spielfeld und Festplatz geplant und ist von bedeutenden, monumentalen Bauwerken umgeben: Königspalast, Moschee und Basar, die ihrerseits durch eine zweistöckige, den Platz umrahmenden Arkatur verbunden sind.
So fügen sich der Platz und die ihn umgebende Bebauung zu einem geschlossenen Ensemble, das die Verknüpfung von Weltlichem mit Geistlichem, von Kultur und Religion mit Handel und Kommerz symbolisiert.
In der Mitte es Platzes befindet sich ein großes Wasserbecken, in dem viele Springbrunnen das Wasser in die Höhe schießen. Wir kommen nur schleppend vorwärts, da wir immer in Gespräche verwickelt werden.
Dabei ist auch die Taktik der Teppichverkäufer raffiniert. Sie fallen nie mit der Tür ins Haus, zuerst erfolgt der belanglose Teil, Smalltalk halt, dann die obligatorische Frage, wie uns Iran gefällt und was wir vor der Reise darüber gedacht haben etc. Dann schalten sie auf Angriff, in dem sie von ihrer Ausbildung, meist einem Studium erzählen - also Vertrauen schaffen.
Und zufällig haben sie auch ein Teppichgeschäft - gleich gegenüber, in das sie uns - ganz unverbindlich - zu einem Tee einladen möchten. Wir geben dann immer zu erkennen, dass wir keine Teppiche mögen und kommen mit dieser Ausrede auch gut aus jeder Nummer raus. Denn eins passiert hier nie - das sich ein Verkäufer penetrant anhängt und immer wieder versucht seine Waren an den Mann zu bringen (uups, ist das Genderkonform?).
Das Problem ist, dass auch die anderen Menschen ähnlich mit uns kommunizieren, nur eben nichts verkaufen wollen, sondern tatsächlich an unserer Meinung interessiert ist. Leider lässt sich das immer erst am Ende des Gesprächs feststellen.
So wie heute, als ein junger Mann auf uns zu kam - ich hatte ihn schon als Verkäufer eingeordnet - und nach dem bekannten Smalltalk fragt, ob wir auch schon einmal in "Fränkfort" waren. "Ja". "Oh ja! Kennen Sie auch Bembel? Für Äppelwein?" "Sure!" Er ist glücklich.
Er erzählt, dass er auf Lehramt Englisch studiert und ich warte gespannt auf den nächsten Satz, der jetzt eigentlich kommen muss. Der kommt aber nicht. Sein Freund ist auch dabei, der kann auch englisch, ist aber zu schüchtern. Wir tauschen gegenseitig unsere Namen aus, mit Freude beobachte ich, dass unsere Namen genauso Schwierigkeiten bereiten ausgesprochen zu werden, wie für uns die iranischen.
Wir werden auf einen Tee eingeladen um uns weiter zu unterhalten. Wir lehnen dankend ab, in dem wir sagen, dass wir gerade vor 10 Minuten Tee getrunken haben. Würden wir hier jede Einladung annehmen, würden wir wahrscheinlich nur die Hälfte sehen.
Die Frage ob ich denn iranische Vorfahren habe wird trotzdem noch gestellt, danach verabschieden wir uns. Da im Moment die Sonne scheint, gehen wir auf die Terrasse des Ali Quapu Palace. Der steht gegenüber der Lotfollah Moschee und ist just in diesem Moment von einer chinesischen Reisegruppe okkupiert.
Da der Palast aber groß genug ist, kommen wir uns kaum ins Gehege. Vom Balkon aus haben wir einen beeindruckenden Blick auf den Naghsh-e Jahan. Von hier können wir die eigentliche Größe des gesamten Platzes erst begreifen.
Langsam ist Teezeit und wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Ort unsere müden Glieder auszustrecken. Auf dem Weg hält uns ein alter Mann an, der nach dem 2. Weltkrieg für ein deutsches Unternehmen arbeitete. Er spricht gut englisch und bittet mich, ob ich ihm, falls ich deutsche Münzen habe, einige geben kann. Er sammelt sie.
Prima, so werde ich mein Kleingeld, das ich schon die ganze Zeit mit mir herum schleppe los. Er freut sich und ich bekomme dafür iranisches. Da freue ich mich wirklich, denn bisher habe ich noch keins gesehen. Nur Scheine.
Dann bekommen wir noch einen Tipp - das Azadegan Teahouse. Persische Spezialitäten und urgemütlich. Zum Abschied fragt er noch - als hätte ich es geahnt - ob in meiner Familientradition iranisches Blut fließt. So wie ich aussehe, muss das sein. Deshalb von hier die Bitte, an alle die es wissen müssen: "Bitte sagt die Wahrheit!"
Das Azadegan finden wir in dem Gewühl des Basars nur mit Hilfe von google maps. Vor dem Eingang steht schon eine kleine Schlange, im Iran ein gutes Zeichen! Nach fünf Minuten haben wir unseren Platz.
Die Tische sind so gestellt, dass man nebeneinander an der Wandseite sitzt, der Platz zum Gang bleibt frei, hier flitzen die Kellner durch oder Gäste fotografieren die skurrile Inneneinrichtung. Es ist urgemütlich, unsere Tischnachbarn essen ein interessantes Gericht, das wir noch nicht kennen.
Vorsichtig gucken wir auf ihre Teller, als ein Mann der Gruppe gleich zu uns kommt. Er erklärt uns sofort alle Speisen, die auf der Karte zu finden sind und speziell ihres. Beryan, ein Isfahan typisches Gericht, mit Minze und Lammfleisch. Alles wird zusammen mit Brot gegessen.
Sofort reicht seine Frau uns ein Stück herüber - zum kosten. Ablehnung unmöglich. Es schmeckt wunderbar. Wir bestellen Beryan, Kebap und natürlich Dough. Als Absacker gibt es Safran- und Rosentee. Ein Genuss.
Als wir gehen, ist die Schlange auf ein vielfaches gewachsen. Das kann aber auch damit zusammen hängen, dass es nun wieder stärker regnet. Wir müssen zum Ausgang am anderen Ende des Platzes, was bedeutet, das ein Fußmarsch von über einem halben Kilometer ansteht.
Da es stürmt und regnet, heißt das - ab durch den Basar. Hier erhalten wir noch einmal eine Lehrstunde im schnellen Vorankommen bei großen Menschenansammlungen. Ich finde wir machen das ganz gut und wohlbehalten kommen wir am Ausgang an. Jetzt schnell ins Hotel und ausgeruht.
Beim morgendlichen Verlassen des Zimmer lassen wir aus Versehen das "Don´t disturb" Schild hängen, so dass unsere Unterkunft bei Ankunft so aus sieht, wie wir es verlassen haben. Es gibt Schlimmeres, aber Heidi ist Schuld.
Heute Vormittag haben wir schon im Hotel das Abendessen reserviert. Es werden persische Spezialitäten in Buffetform angeboten. Da nur positive Kommentare darüber zu lesen sind, wagen wir einfach das Experiment. Und werden nicht enttäuscht. Wie auch das Frühstück, ist das Dinner sehr gut.
Bestimmt 15 verschiedene Gerichte werden stehen zur Auswahl und wir schaffen es sogar, alle zu probieren. Mein Favorit ist Fesenjan - ein altes persisches Gericht - das aus Granatäpfeln, Walnüssen und Hühnchen zubereitet wird. Der süß-sauere Geschmack schmeckt am Besten mit Fladenbrot oder Safranreis mit Berberitzen.
Zum abschließenden Tee gesellt sich noch ein Ehepaar aus Österreich zu uns. Sie sind heute erst 6:30 Uhr angekommen und bleiben neun Tage in Esfahan. Von hier aus unternehmen sie einige Ausflüge.
Morgen ist Sizdah Bedar - dem Ende von Nowruz. Wir sind schon gespannt, was in der Stadt so passiert.
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